Das Thema wurde schon oft berührt, aber nie wirklich aufgeräumt: Wie kamen unsere Vorfahren von Rodenberg nach Hannover?
Eins ist offensichtlich: Immer Richtung Norden nach Nenndorf, aber nicht über die heutige Bundesstraße 65 oder 442 und schon gar nicht über die Autobahn. Auch nicht über die heutigen Allee oder die (Haupt-)Straße durch Bad Nenndorf. Diese Straßen gab es in dem Zeitraum 1790 bis 1930 gar nicht oder nicht in dem heutigen Verlauf. Und manche der erst vor 200 Jahren angelegten Straßen existieren heute schon nicht mehr.
In einer losen Reihenfolge möchte ich in den nächsten Wochen über die vier Hauptwege und deren Geschichte berichten.
Zwei meiner Artikel berührten das Thema schon einmal:
– Woher hat die Kreuzung „Drei Steine“ ihren Namen?
(Artikel auf „museumslandschaft-rodenberg.de)
– Die Quadriga bei Adolf Mithoff …
Einen kleinen Einblick in einen Weg durch Nenndorf gibt uns Julius Rodenberg in seinem Buch „Aus der Kindheit“ aus der Zeit um die Jahre 1840-1845:
Die Reisen nach Hannover waren die großen Begebenheiten meiner frühen Kinderzeit. (…)
So saßen wir in unseren festlichen Gewändern, bis das Einspännerchen vor der Tür hielt und das kindische Herz, in dem ja jeder Keim der Zukunft liegt, zu pochen begann zwischen Lust und Weh. Das Kind hat sich’s nicht zu deuten gewusst; aber schon der Knabe wusste es, als er einige Jahre später auf dem Friedrichswall in Hannover den fernen, blauen Deister sah.
Mit Nenndorf entschwand uns der letzte heimatliche Anblick; dann kam der steile Berg, über den die Chaussee führte, bevor sie nachmals um ihn herum geebnet ward. Erzählungen von mannigfachem Unglück, das hier geschehen, hafteten an diesem Berge; doch wir langten ungefährdet unten an, bei der Landwehr und dem letzten weiß-roten Schlagbaum, neben dem der hessische Grenzstein stand mit dem goldenen Löwen. Er hob sich mit ausgestreckter Zunge trotzig auf seinen Hinterpranken, und mir schien, als ob das hannoversche Ross, nicht weit davon auf einem gelb-weiß gestreiften Pfahl, ihm entgegenspringen wolle. Doch ach! — wo sind heute Ross und Löwe, weiß-gelb und weiß-rot . . . .
Rodenberg schreibt vom „steilen Berg“. Damit ist die heutige Buchenallee gemeint. In der o.a. Karte ist es der Weg Nr. 3 – es war zu der Zeit um 1840 ein Weg von Rodenberg oder vom Westen nach Hannover.
Tatsächlich ist auch mir von älteren Rodenbergern „von mannigfachem Unglück“ auf diesem Weg erzählt worden. Besucher aus der norddeutschen Tiefebene benötigten keine Bremsen an ihren Kutschen oder Ackerwagen: Wenn der Kutscher das Pferd dort zum stoppen aufforderte („Brrr!“), stand die Fuhre.
Nicht so auf der abschüssigen Buchenallee …
Julius Rodenbergs Buch über unsere Heimatstadt ist erhältlich in der Deisterbuchhandlung.
Die politische Situation
J. Rodenberg verweist in seinem Bericht auf die damalige politische Situation. Zur Zeit der Erzählung gab es das Königreich Hannover, welches von den Welfen regiert wurde. Die angesprochenen Farben „Weiß-gelb“ sind die der Welfen („Welfenpudding“). „Rot-Weiß“ waren die Farben von Kurhessen, wozu damals Rodenberg und auch Nenndorf gehörte.
Die Landesgrenze zum Königreich Hannover war die Bücketaler Landwehr, heute etwas nördlich der der Kreuzung B442 und B65, dem Baumarkt „Hellweg“ gegenüber.
Auf der westlichen Seite gab es das Fürstentum Schaumburg-Lippe. Der Grenzübergang lag zwischen Kobbensen und Beckedorf. Selbst mit einem Pferdegespann benötigte man weniger als einen Stunde von Grenze zu Grenze, woraus schon damals ein Witz über die Kleinstaaterei entstand: Wenn man durch die Grafschaft Schaumburg reist, ist der Kopf des Pferdes schon in Hannover, während sich die Hinterräder der Kutsche noch in Schaumburg Lippe befinden …