„Rodenberg ist eine Stadt, die weder Schule noch Kirche hat …“.
Wer kennt ihn nicht, den wenig schmeichelhaften, aber noch immer zutreffenden Spruch. Tatsächlich befinden sich die Kirchen und auch die Schulen bis heute im ehemals selbstständigen Dorf Grove oder zumindest außerhalb der ursprünglichen Stadt.
Im Jahr 1914 gab es für die Stadtbewohner eine Chance zumindest das Kirchenproblem im Sinne der Stadt zu lösen. In der „Chronik der Pfarrei Rodenberg“, geführt von Pastor Wilh. Schoff (1908-1935 Pastor der ev. luth. Gemeinde Rodenberg) findet sich der folgende Hinweis:
Im September 1914, gleich nach der unglücklichen Marneschlacht, ging vom Amtsgericht in Hannover die Mitteilung ein, dass der in Hannover am Schiffgraben, verstorbene J. H. Steiner, der in der evang.- lutherischen Kirchengemeinde Rodenberg, in Grove, geboren und der in in der Kirche daselbst getauft war, im Testament v. J. 1909 der Kirchengemeinde ein Legat im Betrage von 225.000 Mark zum Bau einer neuen Kirche ausgesetzt habe, mit der Auflage, binnen zwei Jahren alle Vorbereitungen dazu zu treffen und alle Genehmigungen dazu zu beschaffen. Sonst sollte das Legat an den Haupterben zurückfallen. In dem Testamentsbetrag waren 25.000 M enthalten, die für eine neue Orgel und neue Kirchenglocken bestimmt waren.
Die Mitteilung erweckte große Freude und brachte viel Arbeit und in Sonderheit viele Sitzungen und Beratungen mit der Behörde (…) und dem aus der Konkurrenz von zwei angenommenen Architekten in Bezug auf Bauplatz und -Plan und auch mit dem Testamentsvollstrecker, der einen Teil des Legats wegen etwaiger Besteuerung des Erbes einstweilen über die Frist von zwei Jahren hinaus zurückhielt.
Adolf Mithoff erwähnt im Zusammenhang mit der Auflösung der Bürgergarde im Jahr 1852 einen „Hauptmann Heinrich Steiner“. Bei dem Verstorbenen könnte es sich also um einen Sohn dieses Hauptmannes gehandelt haben.
Im Band I, von „Bilder einer kleinen Stadt“, herausgegeben von der Martiniloge unter der Federführung von Walter Münstermann, gibt es ein Bild von dem „Entwurf einer Kirche in Rodenberg“:
Leider liegt mir das Büchlein nicht vor (vielleicht möchte es ja jemand loswerden?) sondern nur ein schlechter Scan der Seite, aber ich meine, Münstermann hat den Entwurf in Verbindung mit der selbstständigen ev. Kirche (SELK), nach dem ersten Pastor auch „Rotfuchs-Kirche“ genannt, in der Langen Straße gebracht. Doch diese Kirche wurde bereits 1885 vollendet.
Bemerkenswert in der klassischen „Drei-Seiten-Ansicht“ ist aber die vierte Ansicht rechts unten. Die Beschriftung könnte als „Altes Gebäude“ interpretiert werden. Wo aber befand sich dieses „Alte Gebäude“?
Da gibt es ein Foto der Brandruine vom Schloss. Aufgenommen deutlich nach dem Brand 1859, da die Trümmer der abgebrannten Gebäude abgeräumt sind und sich die Natur in Form von Gehölzen das Gelände großflächig zurückerobert hat.
Rechts ist das Ständehaus zu erkennen, und in der Mitte, im Norden des Ständehauses schließt sich das erst um das Jahr 1850 neu erbaute Brennereigebäude an. Damals weitgehend also ein Neubau. Beim Vergleich des Fotos mit dem o.a. Plan der Kirche ist die Ähnlichkeit mit dem „Alten Gebäude“ frappierend. Einfach mal die Stockwerke und Fensterreihen bis zur Dachgaube zählen. Die Dachgestaltung mit Gaube entspricht der Skizze. Sogar der Schornstein zwischen Brennereigebäude und Ständehaus ist zu erkennen!
Aufgrund des im Testament vorgegebenen Zeitdrucks von zwei Jahren war es ein geschickter Winkelzug, ein bereits vorhandenes aber nicht mehr genutztes Gebäude als Baukern für die Kirche zu nutzen. Nebenbei war auch die Grundstücksfrage geklärt, denn dies gehörte der Stadt. Ob das Brennereigebäude aber tatsächlich noch 1914 bestand ist nicht geklärt.
Es sind zahlreiche Fragen dazu nicht geklärt. Von daher ist der Artikel nicht recherchiert, sondern allenfalls kombiniert. Aufklärung könnte eine Recherche im nieders. Staatsarchiv Bückeburg geben, aber Corona-bedingt sind dort schon seit Monaten keine Präsenztermine möglich.
Doch wie ging es mit dem Kirchenneubau weiter:
Aber alles war vergeblich, trotzdem die Bedingungen des Testaments vollauf erfüllt waren. Solange der Krieg dauerte konnten aus Mangel an Arbeitern keine größeren Bauten ausgeführt werden, sie wurden auch nicht erlaubt und nachher wurde die Bausumme durch die Inflation entwertet.
Zusammengefasst: Die „Museumsinsel“ würde heute „Kircheninsel“ heißen. Und wenn die Kirchengemeinden heute Probleme haben ihre Kirchen auch nur annähernd zu füllen, hätte eine Kirche in einem ehemaligen Brennereigebäude im Wortsinne etwas wirklich „spirituelles“.
Besten Dank an Angela und Fritz Hecht für die Übertragung der handschriftlichen Aufzeichnungen der Pastoren Schoof und Hoerle!
Hallo Herr Zerries,
gibt es ein Copyright auf den Spruch: „Rodenberg ist eine Stadt, die weder Schule noch Kirche hat ..“ und geht der Spruch noch weiter?
Falls es keinen Copyright dazu gibt, haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie als Quelle in meinem Facebook angebe?
Mit freundlichem Gruß
Heinz K. Selig (treuer leser Ihres Blogs)
Hallo Heinz Selig,
besten Dank für Ihre Frage!
Nein, ein Copyright gibt es nicht. Der Spruch ist in meiner Familie und sicherlich noch in zahlreichen anderen überliefert worden. Er wird auch nicht in der Chronik von A. Mithoff erwähnt. Aber tatsächlich war es bis zur Eingemeindung des Dorfes Grove im Jahr 1838 so: Bis dahin war Rodenberg „eine Stadt, die weder Schul´ noch Kirche hat“, denn beides befand sich in Grove und das ist auch noch heute so.
Der Spruch hat meines Wissens keine Fortsetzung und darf Tantiemen-frei verwendet werden.
Grüße
R. Zerries
PS.: Zum eigentlichen Artikel gibt es einige neue Erkenntnisse! Ich muss meine Aussagen im Artikel relativieren aber auch ergänzen. Deshalb wird es demnächst einen Teil II dazu geben.