Jeder Mensch hat eine gewisses Verlangen, neues zu erfahren.Die Frage ist doch, ob Neugier eine negative Eigenschaft des Menschen ist und wenn ja, haben die Rodenberger besonders viel davon?
Glaubt man den einschlägigen Quellen ist Neugierde nicht Negativ. Es ist wie so oft im Leben eine Frage des „Wie“! Sind wir wertschätzend neugierig und interessieren uns für unsere Mitmenschen, dann gehört Neugierde zu einem guten Gespräch. Das Gegenüber erzählt, motiviert durch gezielte Fragen, lieber etwas über er sich als dass er sich die eigene Geschichte anhören muss.
Soweit zur Theorie.
Doch wie komme ich darauf? Heinrich Spiro, ein Biograph von Julius Rodenberg, bemerkte bei einem Besuch unserer Stadt den Versatz der Häuserfronten in einigen Straßen. Er verstieg sich zu der Bemerkung: „Die Wissbegier seiner (Rodenbergs) Bewohner hat die Häuser so nebeneinander gestellt, dass jeder aus seinem Seitenfensterchen den Blick nach dem die Mitte des Ortes bezeichnenden (…) Rathaus hat.“
Auch wenn die Feststellung so absolut nicht haltbar ist, fällt doch an gewissen Ecken der Versatz der Häuserfronten auf. Westlich der Mühlenaue verläuft die Lange Straße in unmotivierten Kurven. Der Straßenverlauf ist dort so eng und kurvig, dass kein Platz für z.B. Parkstreifen ist. Die Bebauung in der historischen Stadt Rodenberg (zwischen den beiden Stadtgräben) war sicherlich streng reglementiert, denn hier verläuft die Häuserfront noch weitgehend ohne Versatz. In der Vorortgemeinde „Tor“, wozu die kurvige Straßenführung gehört, war offenbar ein kreativer Verlauf der Häuserfronten erlaubt.
Doch warum dieser Versatz der Häuser? Wie schon Spiro schreibt, hatten die Häuser i.d.R. kleine Seitenfensterchen in Richtung /Ortmitte/Ratskeller, die den Bewohnern einen Blick längs zur Straße erlaubte. So ist es mühelos möglich, die Passanten oder Fuhrwerke ausgiebig zu betrachten, was in nachrichtenarmen Zeiten für Gesprächsstoff sorgen konnte. Statt Fernsehen oder Zeitung ein informativer Blick auf die Hauptstraße.
Eine Besonderheit des Ausblicks ist die „Utlucht“. Hier handelt es sich um einen befensterten Vorsprung aus der Gebäudefront als Teil des Innenraumes. Als Sonderform des Erkers beginnt sie nicht auskragend, sondern ebenerdig. Daher spricht man auch von einem Standerker. Allseits mit großen Fenstern ausgestattet, ermöglicht die Utlucht einen Einblick in die Straße.
Ein schönes Beispiel findet ihr am Haus Lange Str. 51 (Floristika). Im ehemaligen Haus „Remmers“ westlich davon befand sich ebenfalls eine Utlucht.